In den 90er Jahren war Kevin J. Anderson einer der wichtigsten Mitbegründer des modernen Erweiterten Universums: Mit seiner Trilogie über Lukes Errichtung der Jedi-Akademie auf Yavin IV schuf er den neuen Jedi-Orden, mit Crix Madine tötete er in Darksaber die erste (wenn auch kleinere) Heldenfigur der klassischen Trilogie, mit seiner Arbeit an den Jedi-Chroniken machte er Ulic Qel-Droma zur großen tragischen Figur der altrepublikanischen Vorzeit.
Da seine Trilogie über Lukes Akademie seit der Ankündigung der Sequels wieder ins Zentrum der Fanaufmerksamkeit gerückt ist und sich nun die Frage stellt, wie (oder gar ob) das Team rund um Kathleen Kennedy, J.J. Abrams und Michael Arndt Lukes neuen Orden darstellen wird, haben wir das Gespräch mit ihm gesucht und hatten Gelegenheit, ihm einige Fragen zu seinen Gedanken über die Zukunft der Saga, seine bisherige Arbeit und die Möglichkeit einer Rückkehr ins Erweiterte Universum gestellt:
Herr Anderson, mit Ihrer Trilogie über die Jedi-Akademie und Ihrer Arbeit an der Young Jedi Knights-Reihe, haben Sie sich eingehend mit Luke Skywalkers neuem Jedi-Orden nach Die Rückkehr der Jedi-Ritter befasst. Die Verantwortlichen für die Sequel-Trilogie werden sich demnächst dem gleichen Thema widmen müssen, deshalb die Frage: Was waren Ihre Grundgedanken bei der Arbeit an Lukes Orden? Und würden Sie einige Ihrer Entwicklungen gerne in den neuen Filmen sehen?
Um dies gleich klarzustellen: Ich habe für Lucasfilm gearbeitet, und natürlich steht es ihnen frei, meine Ideen in jeder nur denkbaren Form zu verwenden. Meine Jedi-Akademie-Trilogie mag Lukes Versuche, die Jedi-Ritter neu zu errichten, behandelt haben, aber dies ist ein ganz offensichtliches Konzept, wenn man die Geschichte nach Die Rückkehr der Jedi-Ritter fortführt. Ich wäre begeistert, wenn sie einige meiner Ideen in den neuen Filmen verwendeten, aber nichts und niemand zwingt sie dazu.
Als ich die Trilogie schrieb, wollte ich vor allem, dass sich Luke einerseits die Notwendigkeit vor Augen führte, die Jedi-Ritter als Macht der hellen Seite zurückzubringen und sich andererseits auch der möglichen Gefahren bewusst war. Er war zu diesem Zeitpunkt zwar der mächtigste lebende Jedi, aber verglichen mit seinen Vorgängern einige Jahrzehnte zuvor war er kaum mehr als ein blutiger Anfänger. Für einen Einzelnen bedeutet dies eine schwere Bürde.
In Ihrem Roman Darksaber haben Sie mit General Crix Madine den ersten - nachrangigen - Filmhelden im Erweiterten Universum getötet. Heutzutage gilt das Bantam-EU allgemein als sicherer Zufluchtsort, aber seither sind im EU Chewbacca, diverse Jedi der Prequel-Jahre und Figuren wie Mara Jade und selbst zwei der Solo-Kinder gestorben, mit denen Sie und Ihre Frau an den Young Jedi Knights-Büchern gearbeitet haben. Haben Sie und Ihre Kollegen bei Lucasfilm den Tod Madines damals als wegweisende Entscheidung empfunden? Was halten Sie allgemein vom Tod von Helden in Krieg der Sterne und insbesondere im Erweiterten Universum?
Wir waren offen gesagt etwas überrascht über die Intensität der Reaktionen. Madine ist in Die Rückkehr der Jedi-Ritter eine sehr, sehr zweitrangige Figur - er kann kaum länger als vier Sekunden zu sehen gewesen sein -, aber da er von West End Games und in ähnlichem Zusatzmaterial weiterentwickelt worden war, schien er uns eine interessante Person zu sein. Als ich vorschlug, ihn in Darksaber zu töten, stand Lucasfilm an einem Punkt, wo die Leser der Meinung waren, dass in den EU-Romanen nichts "wesentliches" passieren konnte.
Madine war also keine wichtige Figur in den Filmen, aber sein Tod hat den Lesern signalisiert, dass dies ein Universum war, das Veränderungen erlebte und dass alle Romane von Bedeutung waren. Zum Tod anderer Figuren will ich mich nicht äußern, aber dies ist ein großes Universum, in dem gewaltige Ereignisse stattfinden. Und da ist es nur sinnvoll, dass einige Leute verletzt werden oder gar sterben.
Die meisten Fans kennen Sie als Romanautor, aber Sie haben auch an vielen erfolgreichen Krieg der Sterne-Comics gearbeitet, insbesondere natürlich an den Tales of the Jedi-Geschichten. Die Welt, an deren Gestaltung Sie damit beteiligt waren, hat sich seither durch die Knights of the Old Republic-Spiele und das Onlinerollenspiel The Old Republic massiv verändert: Waren Ihre Comics noch in einer vorzeitlichen, fremden und teilweise sogar bizarren Welt angesiedelt, sieht dort jetzt vieles so aus wie in den Prequels oder in der klassischen Trilogie. Was hat Sie an der Arbeit in der Antike des Kriegs der Sterne fasziniert?
Von allen meinen Arbeiten an Krieg der Sterne, sind mir diese Tales of the Jedi-Geschichten die liebsten. Sie waren wie Geschichten über König Artus und die Ritter der Tafelrunde, und weil sie Tausende von Jahren vor den Filmen spielten, ergab es nur Sinn, dass sich alles antiker anfühlen und aussehen würde. Ich bin allerdings kein Gamer, also habe ich die Videospiele nie persönlich erlebt. Was ich sagen kann, ist, dass Chris Gossett die Gestaltung unserer Comics wesentlich geprägt hat, und es war eine wahre Freude, mit ihm zu arbeiten.
Sie haben einmal erzählt, dass Sie George Lucas bei Ihrer an den Comics eine Liste mit Ja/Nein-Fragen schicken konnten. Erinnern Sie sich noch an einige der Neins, die zurückkamen? Timothy Zahn wollte seine Noghri ja zu den ursprünglichen Sith machen. Hatten Sie bei der Arbeit an den wahren Ursprüngen der Sith ähnliche Ideen, die abgelehnt wurden?
George hat mir damals tatsächlich einige Ja/Nein-Antworten auf meine Fragen geschickt. Eine der verblüffendsten Antworten war, dass es immer nur einen Sith-Lord gab, einen Meister und einen Schüler, aber darüber hinaus hat er uns nichts erklärt. Wir mussten uns also selbst zusammenreimen, wie die Sith einerseits diese riesige Bedrohung darstellen konnten, wenn es andererseits immer nur einen oder zwei von ihnen gab. Persönlich war ich offen gesagt von einer riesigen, bösen Zivilisation ausgegangen, die entsprechend eine echte Bedrohung für die Galaxis darstellen konnte.
Das Erweiterte Universum der 90er Jahre ist wesentlich von drei großen Trilogien geprägt: Timothy Zahns Thrawn-Romanen, Ihrer Jedi-Akademie-Trilogie und Tom Veitchs Comicreihe Das dunkle Imperium. Anders als Timothy Zahn, haben Sie in Ihren Romane auch auf das Dunkle Imperium Bezug genommen und damit wesentlich dazu beigetragen, ein gemeinsames Erweitertes Universum zu etablieren. Haben Sie diese Entscheidung einfach nur als guter Teamspieler getroffen oder war dies eine Anforderung von außen?
Meine Sicht war einfach: Wenn diese grundlegenden Ereignisse tatsächlich stattgefunden haben, erinnern sich die Figuren auch daran. Tim Zahn schrieb seine Trilogie, als Tom Veitch an den Comics arbeitete, und keiner der Beiden wusste, was der andere gerade tat. Damals galt Krieg der Sterne als tot und diese beiden Projekte liefen unabhängig voneinander nebeneinander her.
Als ich dann gebeten wurde, die zweite Trilogie nach Tims zu schreiben, begann ich, mir Hintergrundmaterial dafür zu suchen, und dabei stieß ich praktisch zufällig auf Das dunkle Imperium, das gerade erst herausgekommen war. Ich las es, sah mir diese großen Ereignisse an und fragte bei Lucasfilm an: "Was soll ich machen? Diese beiden Geschichten widersprechen einander". Sie meinten, ich müsste die anderen Geschichten überhaupt nicht einbeziehen, aber der Gedanke gefiel mir gar nicht. In Das dunkle Imperium hat Leia mit Anakin ein weiteres Kind, Luke wechselt auf die dunkle Seite und der Imperator kehrt zurück. Das sind nicht gerade Ereignisse, die man ignorieren kann! Also wollte ich eine Geschichte erzählen, die beide Varianten einbezog und sie zusammenfügte. Und das hat gut zusammen gepasst.
Seit Ihrer Arbeit an Krieg der Sterne haben Sie ein breites Spektrum anderer Projekte bearbeiet: Mit der Saga der Sieben Sonnen haben Sie Ihre eigene Weltraumsage geschaffen, und Sie haben das Universum von Frank Herberts Dune umfassend erweitert. Woran arbeiten Sie aktuell? Und könnten Sie sich eine Rückkehr in den Krieg der Sterne vorstellen?
Aktuell bin ich damit beschäftigt und richtig davon begeistert, eine Trilogie über die nächste Generation im Universum der Sieben Sonnen zu erzählen, die Saga of Shadows. Mit Brian Herbert arbeite ich außerdem an zwei neuen großen Projekten: Einem neuen Dune-Roman, Mentats of Dune, und dem zweiten Teil unserer eigenen Science-Fiction-Trilogie Hellhole Awakening. Gerade habe ich ein wunderbares Steampunkt-Fantasy-Adventure auf Grundlage des neuen Rush-Albums Clockwork Angeles fertiggestellt, wobei ich mit dem Rush-Drummer Neil Peart zusammengearbeitet habe, und bei einer absurden Comedy-Horror-Reihe über den Zombie-Privatdetektiv Dan Shamble stehe ich aktuell vor dem vierten Buch. Man sieht also: Ich habe bei allen meinen Projekten viel Spaß, und einige davon haben noch keinen deutschen Verlag gefunden!
Ich verbinde großartige Erinnerungen mit dem Krieg der Sterne. Sollte Lucasfilm mich einladen, für sie an einem weiteren Projekt zu arbeiten, hoffe ich doch, dass uns eines einfällt. Wobei seither so viele andere Romane erschienen sind, dass ich kaum glaube, noch über ausreichend Hintergrundwissen zu verfügen, um ohne Crash-Kurs in dieses Universum zurückkehren zu können.
Herr Anderson, vielen Dank für dieses Gespräch!
Alles über Kevin J. Andersons aktuelle Projekte (und die seiner Frau Rebecca Moesta) findet ihr auf Wordfire.com.
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